Als Tschapperl verstrahlt wurde
Seit geraumer Zeit finden sich in den Medien die Interviews zum Thema: "Wo waren Sie am Tag als Dies und Das passierte?". Das kann auch ich oft genau beantworten - immer natürlich dann, wenn ein persönlicher Bezug zur Sache bestanden hat.
9/11 war so ein Ereignis. Ich saß bei schönem Wetter an Nachmittag im Auto, hörte vom ersten Einschlag eines Flugzeuges, live vom zweiten Flugzeug in den Südturm. Ich beeilte mich nach Hause zu kommen, fuhr viel zu schnell und sah dann live die Türme brennen. An sich können Hochhäuser brennen und umfallen ohne dass es mir besonders nahegeht. Aber zwei Jahre zuvor an einem warmen Herbsttag habe ich auf dem WTC-Südturm zwei oder drei glückliche und unvergessliche Stunden verbracht, auf diesem wirklich vielleicht spektakulärsten Aussichtspunkt der Erde. Ich malte mir schon aus, wie man die Dinger in der Mitte halbieren würde und dann wieder Stockwerke draufsetzen könnte, als sie plötzlich zusammensackten. Da saß ich nur mehr konsterniert und sprachlos da.
Dann ist da die Erinnerung an den 1. Mai 1986. Die radioaktive Wolke aus Tschernobyl flog kreuz und quer über Europa. Betroffen war man irgendwie von den Bildern, von der Möglichkeit radioaktiven Fallouts besonders bei Regen war man durchaus informiert. In den Fernsehnachrichten wurde noch am 30.4. diskutiert ob man die üblichen Maiaufmärsche am 1.5. durchführen sollte und ob die rote Wiener Stadtverwaltung die Absage nur nicht machte, weil halt wieder einmal Wahlen vor der Tür standen.
Tschapperl war damals jung, revolutionär gesinnt und vor allem linksorientiert. Klar dass man da am Aufmarsch am Tag der Arbeit nicht fehlen durfte (Reste solcher linken Traditionen gibt es in Österreich heute noch, aber damals standen sie noch halbwegs in der Blüte). Wir demonstrierten für Ideologien, die 40 Kilometer nördlich gerade in den letzten Zügen lagen, die Sozialistische Tschechisch/Slowakische Repuplik und der Eiserne Vorhang waren nicht weit weg, aber wir Besserwissenden würden ein Gleichheit/Brüderlichkeit/Solidaritätsreich schon anders organisieren!
Eine schwachsinnige Idee wie wir heute wissen und in den Achtzigern ahnten, aber das machte beim Linksfolkloreaufmarsch damals nichts. Mit Musikkapellen und Transparenten gingen wir durch eine herrlich aufblühende Frühlingslandschaft, Stadl-Paura hieß die Ortschaft. Ausgewählt wurde die ländliche Location wahrscheinlich nur deshalb, weil die paar hundert Demonstranten in der Bezirksstadt Wels rein zahlenmäßig nichts mehr hergaben und die proletarischen Massen auf dem dortigen großen Stadtplatz wie ein recht verlorenes Häuflein gewirkt hätten. Denn früher kamen hier tausende aus allen Stadtteilen zusammen.
"Bürger lasst das Glotzen sein, kommt herunter, reiht euch ein".
Konnte man in Stadl-Paura schreien soviel man wollte. Es konnte auch gar keiner herunter kommen, weil die Häuser dort eher ebenerdig gebaut waren und das größte Gebäude ein Alten- und Siechenheim des Nazarenerordens war. Die Schwestern hätten wohl ihre Rollie-Schützlinge kaum herbeigeschoben. Dafür kam etwas anderes!
Es lies sich der Himmel etwas einfallen: auf der kleinen Wiese vor dem Marktgemeindeamt war die übliche Schlußansprache und es begann zu regnen. Intensiv, gleichmäßig, ein warmer Mairegen. Fast keiner hatte einen Schirm dabei, warum auch, der Tag hatte ja recht freundlich begonnen.
Pischtnaß standen wir fröhlich scherzend in der Wiese - etwas dumpfes Unbehagen war allerdings dabei - viele Witzchen drehten sich um die Ereignisse im Osten. Es schüttete ein paar Minute, dann aber verzog sich die dunkle Schauerwolke und es wurde noch ein schöner Tag. Leider hat genau dieser Regenguß - der einzige des Tages - die ganzen Isotope aus der Luft gewaschen und auf den Boden gebracht. Triefend nass begaben wir und ins Wirtshaus und hoben die Krüge, weil der Mensch nicht nur außen befeuchtet sein will.
Tschapperl muß gestrahlt haben wie ein Christbaum an diesem Tag.
Heute weiß man dass die Gegend eine der bundesweit am stärksten betroffenen Landstriche war.
Vor einigen Tagen erst habe ich einen Strahlenschutzbeauftragten unseres Bundesheeres gefragt, was ich lege artis damals hätte tun sollen. Das wäre eine ganze Liste gewesen: jeden Regentropfen vermeiden, mit Taschentüchern etc. möglichts viel Nässe entfernen, mehrfach - möglichst nicht zuhause g* - duschen, nicht den kleinsten Regentropfen inkorporieren, Gewand und Schuhe entsorgen (nicht in die Altkleidersammlung natürlich!) und so weiter.
9/11 war so ein Ereignis. Ich saß bei schönem Wetter an Nachmittag im Auto, hörte vom ersten Einschlag eines Flugzeuges, live vom zweiten Flugzeug in den Südturm. Ich beeilte mich nach Hause zu kommen, fuhr viel zu schnell und sah dann live die Türme brennen. An sich können Hochhäuser brennen und umfallen ohne dass es mir besonders nahegeht. Aber zwei Jahre zuvor an einem warmen Herbsttag habe ich auf dem WTC-Südturm zwei oder drei glückliche und unvergessliche Stunden verbracht, auf diesem wirklich vielleicht spektakulärsten Aussichtspunkt der Erde. Ich malte mir schon aus, wie man die Dinger in der Mitte halbieren würde und dann wieder Stockwerke draufsetzen könnte, als sie plötzlich zusammensackten. Da saß ich nur mehr konsterniert und sprachlos da.
Dann ist da die Erinnerung an den 1. Mai 1986. Die radioaktive Wolke aus Tschernobyl flog kreuz und quer über Europa. Betroffen war man irgendwie von den Bildern, von der Möglichkeit radioaktiven Fallouts besonders bei Regen war man durchaus informiert. In den Fernsehnachrichten wurde noch am 30.4. diskutiert ob man die üblichen Maiaufmärsche am 1.5. durchführen sollte und ob die rote Wiener Stadtverwaltung die Absage nur nicht machte, weil halt wieder einmal Wahlen vor der Tür standen.
Tschapperl war damals jung, revolutionär gesinnt und vor allem linksorientiert. Klar dass man da am Aufmarsch am Tag der Arbeit nicht fehlen durfte (Reste solcher linken Traditionen gibt es in Österreich heute noch, aber damals standen sie noch halbwegs in der Blüte). Wir demonstrierten für Ideologien, die 40 Kilometer nördlich gerade in den letzten Zügen lagen, die Sozialistische Tschechisch/Slowakische Repuplik und der Eiserne Vorhang waren nicht weit weg, aber wir Besserwissenden würden ein Gleichheit/Brüderlichkeit/Solidaritätsreich schon anders organisieren!
Eine schwachsinnige Idee wie wir heute wissen und in den Achtzigern ahnten, aber das machte beim Linksfolkloreaufmarsch damals nichts. Mit Musikkapellen und Transparenten gingen wir durch eine herrlich aufblühende Frühlingslandschaft, Stadl-Paura hieß die Ortschaft. Ausgewählt wurde die ländliche Location wahrscheinlich nur deshalb, weil die paar hundert Demonstranten in der Bezirksstadt Wels rein zahlenmäßig nichts mehr hergaben und die proletarischen Massen auf dem dortigen großen Stadtplatz wie ein recht verlorenes Häuflein gewirkt hätten. Denn früher kamen hier tausende aus allen Stadtteilen zusammen.
"Bürger lasst das Glotzen sein, kommt herunter, reiht euch ein".
Konnte man in Stadl-Paura schreien soviel man wollte. Es konnte auch gar keiner herunter kommen, weil die Häuser dort eher ebenerdig gebaut waren und das größte Gebäude ein Alten- und Siechenheim des Nazarenerordens war. Die Schwestern hätten wohl ihre Rollie-Schützlinge kaum herbeigeschoben. Dafür kam etwas anderes!
Es lies sich der Himmel etwas einfallen: auf der kleinen Wiese vor dem Marktgemeindeamt war die übliche Schlußansprache und es begann zu regnen. Intensiv, gleichmäßig, ein warmer Mairegen. Fast keiner hatte einen Schirm dabei, warum auch, der Tag hatte ja recht freundlich begonnen.
Pischtnaß standen wir fröhlich scherzend in der Wiese - etwas dumpfes Unbehagen war allerdings dabei - viele Witzchen drehten sich um die Ereignisse im Osten. Es schüttete ein paar Minute, dann aber verzog sich die dunkle Schauerwolke und es wurde noch ein schöner Tag. Leider hat genau dieser Regenguß - der einzige des Tages - die ganzen Isotope aus der Luft gewaschen und auf den Boden gebracht. Triefend nass begaben wir und ins Wirtshaus und hoben die Krüge, weil der Mensch nicht nur außen befeuchtet sein will.
Tschapperl muß gestrahlt haben wie ein Christbaum an diesem Tag.
Heute weiß man dass die Gegend eine der bundesweit am stärksten betroffenen Landstriche war.
Vor einigen Tagen erst habe ich einen Strahlenschutzbeauftragten unseres Bundesheeres gefragt, was ich lege artis damals hätte tun sollen. Das wäre eine ganze Liste gewesen: jeden Regentropfen vermeiden, mit Taschentüchern etc. möglichts viel Nässe entfernen, mehrfach - möglichst nicht zuhause g* - duschen, nicht den kleinsten Regentropfen inkorporieren, Gewand und Schuhe entsorgen (nicht in die Altkleidersammlung natürlich!) und so weiter.
tschapperl - 30. Apr, 12:19